1. September 2015

Entspannungspädagogik: Autogenes Training

Entspannungspädagogik, mein erster Kontakt mit AT-Oberstufe 

Es war vor über 25 Jahren. Morgens früh um 2.00 Uhr, ich lag im Kreissaal, hatte Wehen. Das letzte Mal, knapp zwei Jahre zuvor, war ich auch hier und hatte meinen ersten Sohn entbunden. Damals machte der Arzt zu früh einen Dammschnitt und erklärte mir hinterher ich solle mich nicht so anstellen. Ich schwor mir kein Kind mehr bei dem Metzger zu bekommen.
Der Wehenschreiber schlug bereits aussagekräftig aus, als sich die Tür öffnete. Ich schaute hin und der Wehenschreiber zeigte nichts mehr an. Grund: der Arzt (Metzger) von vor zwei Jahren stand unter der Tür. Die Kraft meines Unterbewusstseins war so groß, dass die Wehen beim Blick auf diesen Menschen jede Aktivität einstellten. Angeblich ein biologisches 'Geht-Nicht', da der Muttermund schon einige Zentimeter geöffnet war.
Den Vater unseres Kindes schickte ich nach Hause. Mich kennend und wohl wissend, dass ich bei DEM Arzt sicherlich kein Kind mehr bekomme. Auf meine Nachfrage erfuhr ich, dass er noch bis 12:00 Uhr Dienst hätte. Auch noch das, 24 Stunden-Dienst. Plötzlich änderte sich meine Einstellung dem Menschen gegebenüber. 24-Stunden-Dienst zu haben, ist sicherlich schwer. Dennoch es blieb dabei, bei ihm wollte ich kein Kind mehr bekommen. Circa 10:00 Uhr kam die Visite, sie stellten fest, dass alles gut war. Mutter und Kind wohlauf, was es alles gibt. Keine Wehen mehr!?- es wurde diskutiert, ob ich an den Wehentropf soll. Ich lehnte vehement ab und teilte mit, dass meine Wehen sich sicherlich bis ca. 12:30 Uhr wieder einstellen. Die Ärzte lächelten mich höflich an, in ihren Augen stand ihre Meinung im Stil von "träum' weiter" zu lesen.
Von wegen, wer da träumte. Der Metzger-Arzt war kurz nach 12:00 Uhr im Feierabend, ich fragte sicherheitshalber nach und prompt setzten -nach der Bestätigung, dass er weg ist- meine Wehen ein. Die Hebammen hatten auch einen Wechsel. Zu mir kam eine ältere Dame. Sie fragte ob ich autogenes Training oder Meditationen kennen würde. Damals kannte ich beides nicht. Danach fragte sie, ob ich offen dafür wäre. Klar, das war ich. Anschließend sollte ich die Augen schließen, mich auf meinen Atem konzentrieren. Mir Ruhe vorstellen, Schwere und dann meinte sie plötzlich, ich solle mir eine Orange-farbene Pyramide unter dem Bett vorstellen. Das machte ich und plötzlich ging alles sehr schnell.
Das Kind war um 14:06 Uhr auf der Welt, gesund und wohlbehalten. Danach fing ich an, mich mit den Themen rund um Entspannung zu befassen. Zuerst lernte ich autogenes Training. Das hat mir danach sehr geholfen und auch meinen Kindern. Als sie klein waren lies in den Einschlafgeschichten die Formen des AT einfließen, das wirkte wahre Wunder. 


Über geistige Konzentration sind körperliche Prozesse beeinflussbar. Eine Erkenntnis, die sich ab der Geburt meines zweiten Sohnes, mehrfach in meinem Leben bestätigt hat und sicherlich auch weiter bestätigen wird.


Die Geschichte des autogenen Trainings

Der Begriff "Autogenes" lässt sich aus den griechischen Worten "autos" = "selbst" und "genos" = "erzeugen" ableiten. Daraus folgt, beim Autogenen Training wird etwas aus sich selbst erzeugt.

Das Autogene Training wurde vor von Johannes Heinrich Schultz (kurz: J. H. Schultz) neu entdeckt. "Neu entdeckt" deswegen, da die gewonnenen Erkenntnisse für J.H. Schultz neu waren, für z.B. indische und buddhistische Mönche die Übungen jedoch zu den Grundlagen auf ihrem Erkenntnisweg zählen. Die Ergebnisse und das Wirken von J.H. Schultz werden hierdurch weder geschmälert, sie bleiben unangetastet.

Schultz wurde am 20. Juni 1884 in Göttingen geboren. Von Geburt an litt er unter schwerem Asthma. Nach seinem Medizinstudium promovierte der ambitionierte junge Mann 1907 in Göttingen. Hierauf folgten Tätigkeiten in verschiedenen Kliniken, bis er 1915 bei dem berühmten Psychiater Otto Binswanger in Jena habilitieren konnte.

J.H. Schulz hatte schon in der Ausbildung ein ganz besonderes Interesse an Hypnose, Autosuggestion und Psychoanalyse. Die Beschäftigung mit seinen eigenen inneren Bildern und psychischen Erfahrungen halfen ihm bei der Heilung seiner Asthma-Krankheit.
In den 20er Jahren wollte J.H. Schultz als Assistenzarzt in Frankfurt die psychosomatischen Phänomene von Traumatisierten weiter erforschen. Er versetzte Studenten in Hypnose und befragte sie nach ihren Erfahrungen beim Hinübergleiten in den Trancezustand. Ein sehr hoher Prozentsatz erinnerte sich an „ein Schweregefühl im Schreibarm“. H.J. Schultz forschte weiter und experimentierte damit, dieses Schweregefühl von seinen Versuchspersonen durch eine Reihe immer wiederkehrender Formeln selbst, ohne Hypnose, erzeugen zu lassen: Das war die Geburtsstunde des autogenen Trainings.
Nach intensiver Forschung veröffentlichte J.H. Schultz 1932 sein Buch "Autogenes Training", AT.
Während des ersten Weltkriegs war er Chefarzt des Nervenlazaretts im belgischen Namur. Hier machte J.H. Schulz die Erfahrung, dass seine schwer traumatisierten Patienten auch ohne körperliche Schäden erblinden oder taub werden. Bei ihrer Behandlung griff er auch auf die Methode der Hypnose zurück und lernte die Methode schätzen.

Das Autogene Training beruht insbesondere auf der Erkenntnis, dass über die geistige Konzentration körperliche Prozesse beeinflussbar sind. 



Herzliche Grüsse

Karin Pietzek